Dierk Hoffmann, Von Ulbricht zu Honecker. Die Geschichte der DDR 1949-1989 (Berlin: be.bra Verlag, 2013).

Rezensiert von Florian Nolte

Die deutsche Nachkriegsgeschichte wurde von der deutsch-deutschen Zweistaatlichkeit geprägt, allerdings wird die Geschichte der DDR weiterhin stiefmütterlich behandelt. So enthalten die meisten Gesamtdarstellungen lediglich einige kurze Kapitel und es entsteht der Eindruck,die DDR wäre lediglich eine Randerscheinung neben der Bundesrepublik gewesen. Tatsächlich gab es bis dato keine neuere Überblicksdarstellung der DDR-Geschichte. Hoffmann möchte mit seiner kurzen Überblicksstudie die Geschichte des ostdeutschen Staates nachzeichnen und diese, wenn für das historische Verständnis nötig, in seine gesamtdeutschen und osteuropäischen Bezüge einordnen. Dennoch liegt der Fokus auf der innenpolitischen Entwicklung mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) als Hauptakteur sowie den Blockparteien, dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund und den Kirchen. Die chronologische Gliederung beginnt am 7. Oktober 1949 mit der Staatsgründung und endet mit dem Mauerfall am 9. November 1989. Der Vereinigungsprozess per se wird zudem in einem separaten Band der Reihe „Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert“ abgehandelt.

Im zweiten Kapitel „Von der Staatsgründung bis zum Volksaufstand (1949-1953)“ (S.13-44) greift der Autor zeitlich einige Jahre zurück. Erste Grundsteine für die deutsch-deutsche Zweistaatlichkeit werden bereits ab 1946 durch eine Verfassungsdebatte in der SBZ gelegt. Anfänglich ist diese noch auf eine einheitliche Regierung für Gesamtdeutschland ausgelegt, erst nach der Bundestagswahl 1949 entscheiden sich die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) und die Führungsriege im Kreml für die Gründung der DDR auf dem Boden der SBZ. Am 7. Oktober begründete der Deutsche Volksrat die Provisorische Volkskammer und setze die ausgearbeitete Verfassung in Kraft. Mit der II. Parteikonferenz der SED wurde die bereits begonnene Transformation der ostdeutschen Gesellschaft und Wirtschaft forciert und der Föderalismus zugunsten einer starken Zentralisierung staatlicher Macht aufgegeben. Zudem wurde die Kollektivierung von Landwirtschaftsbetrieben und der Ausbau der Schwerindustrie, auf Kosten von Leicht- und Konsumgüterindustrie, vorangetrieben. Dies führte Anfang 1953 zu wachsenden Spannungen in der Bevölkerung, da sich die wirtschaftliche Lage der Bürger und Flüchtlinge nicht verbesserte. Dies verdeutlichte sich besonders in der sich stetig verstärkenden Abwanderungsbewegung in die Bundesrepublik. Auch der Volksaufstand vom 17. Juni lässt sich als Folge der Wirtschaftskrise und des „Neuen Kurses“ einordnen, doch aus den Streikwellen dieser Tage wurde ein Massenaufstand gegen Führung und Politik der DDR. Letztendlich konnte nur das Einschreiten der Roten Armee den Führungsanspruch der SED und Ulbrichts Stellung sichern. Die blutige Niederschlagung durch die Besatzungstruppen sorgte für einen Schock und eine Art Lerneffekt innerhalb der DDR-Bevölkerung, sodass ein erneutes Aufbegehren sinnlos erschien solange die Sowjetregierung die SED stützte.

Im weiterführenden Kapitel „Zwischen zwei Krisen: Herrschaftsstabilisierung bei offener Westgrenze (1953-1961)“ (S.45-73) wird die Sicherstellung der Macht Ulbrichts und der SED nachgezeichnet, die trotz des XX. Parteitag der KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion), welcher eine Abkehr von Stalin und einen partiellen Revisionismus des Marxismus-Leninismus nach sich zog, erfolgreich war. Dies lag unter anderem an der geringen Rezeption des Parteitages und des „Tauwetters“ in der DDR, gleichwohl wurden über 20.000 politische Häftlinge entlassen und die Entstalinisierung durchgesetzt. Zur gleichen Zeit band das Politbüro den Staatssicherheitsdienst noch enger an die SED, welche nun eine umfassende Anleitungsfunktion gegenüber dem MfS wahrnahm. Ulbricht nutze den Ungarn-Aufstand um seine persönliche Herrschaft zu stabilisieren. So wurde Ernst Wollweber durch Erich Mielke als Leiter des MfS (Ministeriums für Staatssicherheit) ersetzt und die Staatssicherheit steigerte danach die Anzahl der Hauptamtlichen Mitarbeiten kontinuierlich. Doch zunächst konzentriert sich Hoffmann auf die Beschreibung der wirtschaftlichen Lage des Staates. Angesichts des Aufstandes 1953 erhöhte das Politbüro Löhne, Renten- und Sozialleistungen, daneben beschloss der Ministerrat die Senkung der Preise von Lebensmittel- und Verbrauchsgütern. Dennoch blieb „Republikflucht“ ein erhebliches Problem, vor allem Westberlin diente vielen DDR-Bürgern als Schlupfloch, da es weniger stark gesichert war als die restliche Grenze. Die Blockbildung und Grenzsicherung führte im Gegenzug zu einer erzwungenen Neuausrichtung der vormals innerdeutschen Wirtschaftsströme nach Osteuropa. Trotzdem unterlagen die Fünfjahrespläne enormen Versorgungs- und Planungsschwierigkeiten, lediglich der erfolgreiche Start des Satelliten „Sputnik“ konnte kurzzeitig Euphorie und den Glauben an eine vermeintliche Überlegenheit der Planwirtschaft auslösen. Die Integration der DDR in den Ostblock wurde durch die Aufnahme in den Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) im September 1950 und den im Mai 1955 gebildeten Warschauer Pakt verstärkt. Am 20. September 1955 erlangte die DDR schließlich die vollständige Souveränität.

Nach „Reformen in der DDR? (1961-1971)“ fragt der Autor im vierten Kapitel (S.74-107), welches unmittelbar mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 beginnt. Hoffmann räumt dem Mauerbau eine außerordentliche Bedeutung ein, so sorgt er nicht nur für Stabilität in den Folgejahren sondern bildet auch den Grundstein für wichtige Wirtschaftsreformen. Da große Proteste der Ost- und Westberliner Bürger ausgeblieben sind und die Parteiführung sich in ihrer Legitimation und Herrschaft bestätigt gefühlt habe, empfand diese den Tag der Grenzschließung als „heimliche[n] Gründungstag“ (S.78) der DDR. Auch die Planung und Lenkung der Wirtschaft erschien kurz nach dem Mauerbau auf sicheren Füßen zu stehen. Vor allem die Verteilung von Arbeitskräften und der Ausbau von berufsqualifizierenden Maßnahmen waren nun erheblich kalkulierbarer. Ein Neustart wurde dennoch nicht erreicht, denn Anfang der 60er Jahre befand man sich in einer schweren Wirtschaftskrise, die Modernisierungen unumgänglich machten. Das „Neue Ökonomische System der Planung und Leitung“ (NÖSPL) sollte die Eigenverantwortung der Vereinigung der Volkseigener Betriebe (VVB) stärken und Leitungs- und Innovationsanreize bieten. Ebenfalls durch den Mauerbau und die stärkere staatliche Einflussname bedingt, kam es ab den 60er Jahren zu erhöhtem Anpassungsdruck unter Jugendlichen. Die politische Gesinnung der Jugend konnte jedoch nur sehr schlecht beeinflusst werden und unpopuläre Maßnahmen wie die Allgemeine Wehpflicht verbesserten die Lage nicht. In der Deutschlandpolitik bewegten sich die beiden Staaten erstmals im größeren Umfang aufeinander zu und regeln im „Grundlagenvertrag“ 1972 erstmals die Beziehungen zueinander.

Das fünfte Kapitel „Herrschaftskonsolidierung und Utopieverlust (1971-1976)“ (S.108-131) eröffnet mit dem ersten umfassenden Machtwechsel in der Sozialistischen Republik. Die Ära Ulbricht war durch die wirtschaftliche Misere und die schlechten Beziehungen zwischen ihm und Breschnew, durch divergente Ziele in der Deutschlandpolitik bedingt, am Ende. Unter der Führung von Erich Honecker wendeten sich einige Politbüromitglieder von Ulbricht ab und erwirkten beim Kremlchef Unterstützung für den geforderten Rücktritt. Seiner aussichtslosen Lage bewusst geworden, erklärte Ulbricht am 27. April 1971 im Politbüro seinen Rücktritt und wird eine Woche später vom Amt des Ersten Sekretärs des ZK entbunden. Simultan empfahl er Honecker als seinen Nachfolger. Dieser erreichte aber erst 5 Jahre später die Machtfülle seines Vorgängers, nachdem er 1976 Staatsratsvorsitzender wurde.
Um seine Macht zu konsolidieren wurden ein ehrgeiziges Wohnungsbauprogramm sowie ein Konzentrationsprozess innerhalb der Wirtschaft, der nun auch Handwerker und Einzelhandel in staatliche Hand brachte, gestartet. Vor allem in der Justiz wurden die Maßnahmen verschärft, auch die Ausbürgerung von Wolf Biermann führt der Autor hier als Versuch an, sämtliche Liberalisierungshoffnungen zu ersticken. Insgesamt befand sich Honecker Mitte der 70er Jahre auf dem Höhepunkt seiner Macht, bedingt durch die Überwindung der Hallstein-Doktrin und der damit verbundenen Möglichkeit von internationaler Anerkennung der DDR und innenpolitischen Erfolgen wie dem Wohnungsbau.

Die letzten Jahre des Ostdeutschen Staates umfasst das Kapitel „Stagnation, Niedergang und Auflösung der SED-Herrschaft (1976-1989)“ (S.132-156). Angesichts der desolaten Wirtschaftslage, des extrem defizitären Staatshaushaltes und der enttäuschenden Sozialpolitik – beispielsweise hatten Rentner in der DDR nur 1⁄4 des Haushaltseinkommens von westdeutschen Renten zur Verfügung (S.138) – war der Zusammenbruch der Republik nur noch eine Frage der Zeit. Dies ist zum einen in der ab Anfang der 80er Jahre steigenden Zahl an Ausreiseanträgen zu erkennen, zum Anderen verschärften Montagsdemonstrationen und Botschaftsbesetzungen den Druck auf die DDR-Führung. Zwar konnte diese in der Deutschlandpolitik einen Dialog auf Augenhöhe erreichen, aber den Willen der Bundesregierung zur Wiedervereinigung konnte Honecker nicht brechen. Zudem begab man sich durch Kreditannahmen in eine finanzielle Abhängigkeit von der BRD.Letztendlich sorgte auch das belastete Verhältnis zur Sowjetunion unter Gorbatschow sowie der
Unwille zu Reformen innerhalb des Politbüros zu einer weiteren Destabilisierung der DDR. Die Kommunalwahlen 1989 wurden für die SED zur Farce, da weitgehender Wahlbetrug nachgewiesen werden konnte. Schließlich sorgten die Bildung der Bürgerbewegung „Neues
Forum“ und die Montagsdemonstrationen ab September 1989, die der Opposition neue Ausdrucksmöglichkeiten gaben, dafür, dass sich die SED-Führung zu einer Neuformierung gezwungen sah.

Einen kurzen Abschluss der DDR-Geschichte bildet das siebte Kapitel „Zum Untergang der DDR – Fazit und Ausblick“ (S.157-161). Insgesamt bietet Hoffman mit seiner Abhandlung einen schnellen Zugang und Überblick zur Geschichte der DDR. Die breite Aufgliederung der Themenbereiche erlaubt zwar wenig Tiefgang, dennoch erhält der Leser einen inhaltlich kohärenten und die wichtigsten geschichtlichen und gesellschaftlichen Punkte umfassenden Band. Vor allem für Studenten ist diese Überblicksdarstellung empfehlenswert, da diese, das in der Schule vermittelte Basiswissen wiederholt, erweitert. Zudem bietet die große Auswahlbibliographie einen Ansatzpunkt für einen tieferen Einstieg in die Thematik.

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